Stellungnahme zum Haushaltplan der Gemeinde Wachtberg 2021

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 10. Juni ist sehr bemerkenswert gewesen. Unvermutet schlug Herr Henkel vor, die geplante Grundsteuererhöhung von übernächstem auf nächstes Jahr vorzuziehen. Ohne Wortbeitrag von Ihnen, Herr Bürgermeister, und eigentlich ohne Diskussion wurde der Antrag einstimmig angenommen. Eine so wichtige Entscheidung mit so leisen Tönen, spontan und sofort! Das lässt sich eigentlich nur psychologisch erklären. Für alle im Ausschuss die Erleichterung über einen Schritt zur Ehrlichkeit. Es ist sozusagen Ihre Behauptung, Herr Bürger- meister, aus dem Weg geräumt, eine Steuererhöhung habe es niemals gebraucht, wie Sie im Wahl- kampf sagten, und brauche es auch weiter nur als ‚kalkulatorische‘ Größe, wie Sie beim Einbringen des Haushalts sagten. Bisher sahen wir die Fortsetzung von 2019, als Sie Angst vor der eigenen Courage bekamen und die zweite Stufe einer Steuererhöhung nicht vollziehen wollten, der Sie 2018 zugestimmt hatten. Das alles war bisher nur als Sehnsucht zu deuten, das Abrutschen in die Haus- haltssicherung passieren zu lassen, Verantwortung abzugeben und auf dem Weg dorthin gerade noch so ein paar Jahre haarscharf an der Grenze zum HSK weiterzumachen, notfalls mit Haushalts- sperre. Die Ratsfraktionen haben nun also zumindest ein paar Kohlen aus dem Feuer geholt und zeigen die Möglichkeit von alternativem Denken an.

Auch mit diesem ersten Schritt muss man derzeit sagen, wenn jemand ein Beispiel sucht, was nicht nachhaltig ist, dann eignet sich der Haushaltsentwurf 2021.

Herr Bürgermeister, Sie schreiben in Ihrer Haushaltsrede: ‚die Kosten der Krise dürfen nicht auf die Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden.‘ Wer soll denn die Kosten der Krise bezahlen? Mir scheint es ziemlich sicher, dass zwangsläufig die Bürger direkt und indirekt die Kosten der Virus- bekämpfung bezahlen werden. Die Probleme des Gemeindehaushalt haben aber bisher und bis 2025 kaum etwas mit Covid zu tun, sondern sind das Ergebnis der Politik der Ratsmehrheiten der letzten Jahre.

Sie planen ein Defizit der laufenden Verwaltung 2021 von 5,7 Millionen Euro. Ein unglaublicher Betrag! Ein Teil wird in die besondere Corona-Kapitalposition ausgelagert, danach bleiben immer noch minus 2,8 Millionen Euro.

Sie schreiben: ‚Sparen an der falschen Stelle würde uns in den kommenden Jahren auf die Füße fallen‘. Gibt es nur falsche Stellen? Sie sagen ja nichts über passende Stellen. Wir wollen aber von Ihnen wissen, wo Sie Haushaltskonsolidierung vorschlagen! Wie soll der ‚Umbau der Verwaltung zu einem professionellen Dienstleistungsunternehmen‘ aussehen, den Sie angekündigt hatten? Wo setzen Sie Aufgabenkritik an? Wie kann Digitalisierung zu Einsparungen führen? Wie kann inter- kommunale Zusammenarbeit dazu führen?

Was stattdessen vorliegt, ist Ihr Plan zum Personalaufbau, mit den umfangreichen Stellen- beschreibungen, die ihn rechtfertigen sollen. Der Prozess müsste umgekehrt laufen, und Aufbau- und Ablauforganisation sich gegebenen personellen und finanziellen Grenzen anpassen.

Sie sehen auf der Aufwandsseite für den ganzen Planungszeitraum 2021 – 2024 einen Globalen Minderaufwand vor. Das sieht nach Verzweiflung aus! Als Sie den globalen Minderaufwand in den Haushaltsentwurf Ihrer Vorgängerin einführten, war die dann für die konkrete Umsetzung zuständig. Aber jetzt sind Sie selber zuständig. Warum sind die Beträge nicht gleich normal eingeplant, zumal die Hälfte von 2021 schon vorbei ist? Der globale Minderaufwand ist eine Verletzung des Gebots der Haushaltsklarheit!

Weiter auf der Aufwandsseite: Die Transfers sind die größte Einzelposition im Haushalt, weit vor dem Personal. Sie wissen, dass wir als FDP dem Benehmen mit dem Kreishaushalt widersprochen haben. Wie sehen Sie, Herr Bürgermeister, die immer höheren Zahlungen aus Wachtberg für Kreis- und Jugendamts- und ÖPNV-Umlage? Der Landrat hat Sie vergangenen Herbst ausdrücklich als Finanz- experten zur Wahl empfohlen. Nutzen Sie im Interesse der Gemeinde Ihren guten Draht, um mehr Sparsamkeit im Kreis anzumahnen!

Sie erheben die bekannte Klage über die Verletzung des Konnexitätsprinzips. Ja - allerdings spielen wir selber gerne mit. Z.B. bei einem Bundesprogramm wie Lead City. Wir nehmen die befristete Subvention gerne an, und danach zahlen wir via Kreis einfach selber weiter. Wer wollte schon das zwischenzeitlich geschaffene Leistungsniveau infrage stellen? Wer wollte den Bürgern schon sagen, dass sie unweigerlich alles Schöne und Gute auch selber bezahlen werden?

Ihre Feststellung, Herr Bürgermeister, dass Investitionen notwendig und sinnvoll sind, muss in jedem einzelnen Fall durch den Vergleich von Handlungsalternativen nachgewiesen werden. Investitionen sollten nicht dazu dienen, Aufwandspositionen aus dem Blick zu räumen und kreditfinanziert in die Zukunft zu verschieben. Die Abschreibungen im Ergebnishaushalt steigen schon spürbar. Wir zweifeln z.B. am Sinn von Investitionen in Wohnungsbau – wir sind der Meinung, die gehören nicht zum Auftrag der Gemeinde. Auch den Stolz auf so bezeichnetes ‚Tafelsilber‘ muss man sich erstmal leisten können – durchaus fraglich, ob man in der jetzigen Wachtberger Finanzlage solche Reserven anlegen sollte!

Viel Vermögen ist effektiv schon aus den Händen der Gemeinde in die Hände der Banken über- gegangen. Sie sprechen selber den Verlust an Eigenkapital und damit das Sinken der HSK-Grenze an. Wir bleiben nach Ihren Planzahlen auf Dauer in der Nähe der Haushaltssicherung gefangen. Wie kann man das wollen?

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, schwarz-grüne Haushaltspolitik ist unsolide! Wir erwarten viel mehr Ehrgeiz zum Ausschleichen aus dem Leben auf Kredit! Trennen Sie sich vom alten Denken Ihrer Ratsfraktion! Dem Haushaltsplan, den Sie vorlegen, können wir nicht zustimmen – und ich bitte Sie, Kolleginnen und Kollegen, das auch nicht zu tun!

Friedrich Oettler, 29.06.2021